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Vom 11. Jänner bis 3. Februar 2018:

Komisches mischt sich mit Tragischem, Gegenwart mit Vergangenheit, Härte mit Sentimentalität.

Weihnachten im Kaufhaus. Nach Ladenschluss begegnen sie einander: Josef und Maria. Die Namensvetter des biblischen Paares beugen sich nicht über das Jesus-kind in der Krippe, sondern suchen vorübergehend Herberge im stillgelegten Konsumtempel, um der Einsamkeit zu entgehen. Zwei Übriggebliebene, die nichts gemeinsam haben als die freiwillige Arbeit am Heiligen Abend. Der alleinstehende Josef Pribil hilft bei der Wach- und Schließgesellschaft aus, die verwitwete Maria Patzak arbeitet gelegentlich als Putzfrau. Zögernd kommen sie miteinander ins Gespräch. Sie erzählen von ihren gescheiterten Träumen und bewahrten Hoffnungen. Maria behauptet beharrlich, von ihrer Familie erwartet zu werden. Bis sie zu weinen anfängt und die Geschichte zurechtrückt. Josef lehnt als kommunistischer Freidenker den Heiligen Abend kategorisch ab. Beide zählen seit ihrer Kindheit nicht zu den Bevorzugten der Gesellschaft und haben sich mit ihrem vergewaltigten Leben arrangiert. Der ehemalige Statist Josef Pribil hat einst Theaterluft inhaliert und später als Glasschleifer bei der Görz-Optik Feinstaub und Tuberkulose überstanden. Als Verfechter der kommunistischen Idee steht er als letzter Mohikaner über den Zerfall der Sowjetunion hinaus innerlich an vorderster Front. Maria war Varietétänzerin und hängt ihrem früheren Engagement in Tirana nach. Jahrelang hat sie als kleine Angestellte einer Radiofirma ihre künstlerische Vergangenheit verschwiegen. Jetzt erinnert sie sich an ihre Schönheit, die Liebe zum Tanz und spürt unerfüllte Sehnsüchte. Im Laufe des Abends werden die traurigen Christkinder übermütig. Beim Tango überwinden sie die Peinlichkeit, die das Alter für ihr Umfeld bedeutet und feiern die Geburt Jesu` im Warenhausbett. Dann geht das Licht aus. Stille Nacht, heilige Nacht.

Ein berührender Theaterabend von PETER TURRINI

REGIE: RICHARD MAYNAU

Ausstattung: Doris U. Reichelt

Eine Co-Produktion mit dem Lenautheater Stockerau/ Theatermanufaktur Wien

JOSEF UND MARIA

täglich, außer Sonntag & Montag um 20:15 Uhr

mit Dany Sigel & Peter Josch


Wo gehört man denn hin, wenn man zu niemandem gehört?

Was bleibt denn von einem übrig, wenn nichts von einem übrigbleibt?

Peter Turrini verlegt den Stall von Bethlehem in ein leeres Kaufhaus. Zwei Ausgestoßene machen miteinander Bekanntschaft und identifizieren im jeweils anderen die Einsamkeit. Sie verteidigen vehement ihre  Vergangenheit, behaupten tapfer ihre Gegenwart und blicken in gebeugter Haltung in die Zukunft. Das oft zitierte Bild der abgeschobenen Alten am Heiligen Abend ist Wirklichkeit und durch keine falsche Idylle zu korrigieren. Doch Josef und Maria nützen die Gunst der Stunde. Sie richten sich häuslich in der glitzernden Warenwelt ein und erschaffen ein anderes Weihnachten. Ausgehungert eröffnen sie einander ihr Leben und ergreifen die Chance zur Zweisamkeit. Die Welt draußen, die sie zum menschlichen Abfall erklärt hat, wird nun ihrerseits ausgeblendet. Dass Turrini den beiden einen Stern vom Himmel holt und zu vorgerückter Stunde die Liebe einkehren lässt, ist seiner unerschütterlichen Leidenschaft und unheilbaren Unvernunft zu verdanken. Turrinis „Weihnachtsmärchen für Erwachsene“, das 1980 am Wiener Volkstheater uraufgeführt wurde, zählt zu seinen schönsten und berührendsten Werken – und bietet überdies Traumrollen für zwei Schauspieler.

Ein das Herz erwärmender Turrini und ein großartiges „heiliges“ Paar

JOSEF UND MARIA Ein Weihnachtsmärchen für Erwachsene


Gut, Weihnacht ist vorbei, die Lichterketten sind verpackt und die Christbäume entsorgt. Dennoch weht noch wochenlang ein Hauch der festlichen Stimmung dieser Tage durch das Gemüt, wenn auch längst der Alltag wieder eingekehrt ist, die Geschenke umgetauscht und die Spielsachen bereits ruiniert sind. Es macht also Sinn, Peter Turrinis Weihnachtsmärchen für Erwachsene „Josef und Maria“ Anfangs Jänner auf den Spielplan zu setzen. Erstens handelt es sich dabei um ein Juwel der österreichischen Theaterliteratur, zweitens um eine wertvolle Sammlung von Denkanstößen und drittens gibt dieses Stück zwei nicht mehr ganz so jungen Schauspielern Gelegenheit, ihr facettenreiches Können auszuspielen.

Was sich wie der Titel eines Hirtenspiels ausnimmt, ist eine Erinnerung an das Jahr 1991, als es noch Kassettenrekorder und ob des Zusammenbruchs des Sozialismus verbitterte Kommunisten gab. Josef ist einer von denen, die ihr Lebtag lang vehemt, aber vergebens gegen den Kapitalismus gekämpft haben.

Die Nazizeit hat er nur überlebt, weil er für verrückt erklärt worden war. Er ist Freidenker und hält überhaupt nichts von einem göttlichen Jesukindlein, das just am 24. Dezember auf die Welt gekommen sein soll. Trotz seines Alters, er ist knapp über siebzig, streift er als Nachtwächter mit Stablampe nach Ladenschluss durch ein Großkaufhaus, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. In einer Art Aufenthaltsraum für das Personal trifft er auf die Putzfrau Maria. Auch diese Dame scheint schon bessere Tage gesehen zu haben. Sie erscheint im Pelzmantel, beladen mit Taschen voller Geschenke für ihre Lieben. Die Wahrheit kommt aber umgehend zutage, als sie das alles ablegt und die Kleiderschürze anzieht, Kübel mit Wasser richtet und den Boden aufzuwischen beginnt. Noch klarer wird ihr Zustand, wenn sie mit einem toten Telefon, dessen Kabel lose über dem Boden pendelt, ihre Familie anruft und sich zumindest die Illusion eines gemeinsamen Festes verschafft.

Zwischen den beiden grundverschiedenen Personen beginnt sich nach langem aneinander Vorbeireden dennoch eine Art Harmonie als Ausweg aus ihrer jeweiligen Einsamkeit zu entwickeln. Maria war 1938 Tänzerin in einem Nachtklub in Tirana. Sie hat sich über die Jahrzehnte eine Menge der ehemaligen Reize bewahrt, wenn Josef auch erst energisch mit der Nase darauf gestoßen werden muss. In der Ausstattung von Doris U. Reichelt, die mit alten Spinden, einem Kleiderständer mit abgelegten Klamotten und einem voll geräumten Einkaufswagerl einen alles andere als weihnachtlichen Hintergrund geschaffen hat, arrangieren sich Dany Sigel als Maria Patzak und Peter Josch als Josef Pribil ihr ganz persönliches Fest. Regisseur Richard Maynau weiß offenbar ganz genau, was er an diesen beiden großartigen Schauspielern hat.

Es blitzt ohne jede Peinlichkeit Erotik auf, wenn Maria im Unterrock ihre neue Liebe Josef umgarnt, bis er in seinen langen Unterhosen zu ihr auf dem Kanapee unter die Decke kriecht. Die beiden verstehen es, jedwede Sentimentalität zu vertreiben und den Zuschauern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, wenn er hartnäckig Artikel aus der Pravda vorliest, während sie aus einer Flasche Johnny Walker Black Label zwischenmenschliche Wärme in diesen Heiligabend zu gießen versucht.


Kultur & Wein, 12. Jänner 2018